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Britische Gewerkschaft setzt sich gegen Schweizer Multi durch

Die «Zurich» krebst zurück

4. Februar 1994 | Mit ihrer großangelegten Kampagne hat die briltische Angestelltengewerkschaft MSF ihr Ziel erreicht: Sie wird von den britischen Töchtern der Zürich Versicherung wieder anerkannt.

Am Donnerstag dieser Woche unterzeichneten Roger Lyons, Generalsekretär der britischen Gewerkschaft Manufacturing-Science-Finance (MSF) und Dennis White, Manager der britischen Tochtergesellschaftender Zürich Versicherungen in London ein Abkommen, in dem der Versicherungsmulti der Gewerkschaft das Recht zugesteht, ihre Mitglieder zu vertreten.

Im März letzten Jahres hatte die «Zurich» die in finanzielle Schwierigkeiten geratene britische Versicherung Municipal Mutual lnsurance (MMI) übernommen, die vor allem Kommunalverwaltungen und städtisch Bedienstete versichert, und wenige Tage darauf den 1200 MSF-Mitgliedern unter den 1500 MMI-Beschäftigtcn das Recht entzogen, ihre Interessen von der MSF vertreten zu lassen. Mit dem neuen Abkommen hat die Ge­ werkschaft das wichtigste Ziel erreicht – dem Unternehmen ist es nicht gelungen, die Gewerkschaft auszuschaJten. «Dies ist ein bedeutender Durchbruch für alle Gewerkschaften, denen die Arbeitgeber die Anerkennung entziehen wollen», stellte Lyons in einer Presseerklärung fest: «Unsere Strategie, die Firma öffentlichem Druck auszusetzen, hat offensichtlich geklappt.»

Im Abkommen wird MSF-VertreterInnen eine bestimmte Anzahl von Sitzen in dem neuen Beschäftigtenral garantiert und MSF-FunktionärInnen bei Beschwerde- und Disziplinarverfahren das Recht auf Mitsprache zugestanden. Ausserdem ist die «Zurich» bereit, die Vertreter im neuen Beschäftigtenrat während der Arbeitszeit schulen zu lassen. Das Abkommen sieht überdies regelmässige Treffen zwischen dem für die «Zurich» zuständigen Gewerkschaftssekretär Tony Whiteley und dem britischen Management vor.

«Das Abkommen zeigt, dass die internationale Zusammenarbeit der Gewerkschaften funktioniert», sagt Philip J. Jennings, Generalsekretär des in Genf angesiedelten Gewerkschaftsbundes Fcderation Internationale des Employes, Techniciens et Cadres (FlET), der den Kampf der MSF gegen «Zürich» von Anfang an unterstützt hatte. «Kampagnen dieser Art werden ein wesentliches Merkmal künftiger Gewerkschaftsarbeit sein.» FlET werde nun vom «Zurich»-Management in Zürich die Bildung eines europäischen Gesamtbetriebsrats fordern; nur dadurch seien in dieser Firma «positive Arbeitsbeziehungen» möglich.

Gewerkschaftliche Kampagne wirkt

Monatelang hatten MSF und FIET das Gespräch mit der Konzernspitze gesucht und dann auf der Jahreshauptversammlung des britischen Gewerkschaftsbunds TUC Anfang September eine öffentliche Kampagne lanciert. «Unser Erfolg ist vor allem auf die KundInnen der Zurich zurückzuführen», erläutert MSF-Sprecherin Jo Gibbons die Taktik. 83 britische Gemeindeverwaltungen hätten in Briefen an das britische Management und die Schweizer Zentrale der «Zurich» ihren Unmut über das Verhalten des Konzerns geäussert – und das sei für die Zurich Municipal, welche hauptsächlich Stadtverwaltungen versichert, sicherlich «sehr unkomfortabel» gewesen.

Zudem habe sich ausgezahlt, den «Zurich»-Generaldirektor Rolf Hüppi nicht aus der Pflicht zu entlassen – «er war wahrscheinlich ziemlich irritiert, dass er ständig mit etwas zu tun hatte, was er immer als lokale Angelegenheit verstand» (Gibbons).

Die Kampagne war breit angelegt. Bereits im Juni verurteilte der Schweizerische Gewerkschaftsbund den Beschluss der britischen «Zurich»-Filiale, die Gewerkschaft aus den Büros zu verbannen; er lehnte «eine solche Form des Sozialdumpings mit aller Entschiedenheit ab». Im Juli warben die Funktionäre anlässlich der Jahrestagung der britischen Bezirksverwaltungen erstmals für einen Boykott. Im September solidarisierten sich die TUC-Gewerkschaften, in den folgenden Wochen lobbyierten MSF-VertreterInnen auf den Jahreshauptversammlungen aller britischer Parteien.

Politischer Druck

Im Oktober fragte SMUV­Präsidentin und SP-Nationalrätin Christiane Brunner den Bundesrat, was er zu tun gedenke, «damit das Bild der Schweiz im Ausland durch diese unannehmbare, wenn nicht missbräuchliche Praxis eines in der Schweiz ansässigen Unternehmens nicht getrübt wird»; im November verabschiedete die Mehrheit des EU-Parlaments in Strassburg eine Resolution, in der sie das Vorgehen der Firma kritisierte und die Anerkennung der MSF forderte.

Sie hätten noch mehr Pfeile im Köcher gehabt, sagt Jo Gibbons. Für die nächsten Wochen war der Beginn einer grossen Anzeigenkampagne geplant; dafür hatte der MSF-Vorstand im Herbst hunderttausend Pfund bereitgestellt. Ebenfalls vorgesehen waren gemeinsame Aktionen mit der Organisation der Kommunalbeschäftigten und der Gewerkschaft der LehrerInnen –viele LehrerInnen haben als städtische Angestellte Versicherungsverträge mit der «Zurich» abgeschlossen.

Nach dem Rückzug des Konzerns sind diese Vorhaben hinfällig geworden. MSF hat inzwischen auch die Klage zurückgezogen; die die Gewerkschaft im Herbst einreichte. Allerdings wird sie weiterhin das juristische Vorgehen jener Mitglieder unterstützen, die vor Gericht für ihre Pensionsansprüche streiten, die die «Zurich» nach Übernahme der MMI kurzerhand um rund zwanzig Prozent gekürzt hatte. (pw)