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Kapital & Arbeit: Schweizer Medien im Umbruch
Rechtsruck. Und Gegenbewegung
22. Mai 2018 | Am kommenden Dienstag, 29. Mai, referiert die Journalistin und Gewerkschafterin Sina Bühler über neue, bedrohliche Tendenzen in der Schweizer Medienlandschaft. Und berichtet von Alternativen.
Es war eine bemerkenswerte Story, die die Schweizerische Nachrichtenagentur SDA jedoch kaum vermeldete: Zum ersten Mal seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, legten in der Schweiz RedakteurInnen die Arbeit nieder. Der Grund: Das Management hatte im Januar eine massiven Personalabbau angekündigt – 40 der 150 Beschäftigten sollten sofort gehen, darunter alle über sechzig Jahre.
Ein dreistündiger Warnstreik brachte nichts, also votierte die Belegschaft Ende Januar mit großer Mehrheit für einen unbefristeten Streik – den die RedakteurInnen tatsächlich mehrere Tage durchhielten, bis die Firmenleitung Entgegenkommen signalisierte. In fast allen Medien war der Ausstand eine große Geschichte. Nur die SDA sparte mit Infos: Es war ja ihr Geschäftsleiter gewesen, der den Personalabbau angekündigt hatte.
Auch nachdem die Belegschaft den Streik aussetzte, kämpfte sie weiter – mit Protestaktionen auf dem Bundesplatz in Bern, mit Go-Ins, mit Verhandlungen, um einen akzeptablen Sozialplan durchzusetzen. Doch die Firma und deren AktionärInnen (alles Medienunternehmen) blieben hart, das Staatssekretariat für Wirtschaft soll nun schlichten. Die Verlage planen selber Sparprogramme – und sind bereits dabei, sie umzusetzen.
So hat beispielsweise Tamedia, das grösste private Medienhaus der Schweiz, Ende 2017 verlautbaren lassen, dass seine vierzehn Zeitungen (darunter der «Tagesanzeiger», der «Bund» und die «Berner Zeitung») künftig noch von zwei Redaktionen gemacht werden. Diese Tendenz ist auch bei anderen Unternehmen zu beobachten: Schon 2016 kontrollierten drei Verlage – Tamedia, Ringier mit dem Boulevard-Blatt «Blick» und die NZZ-Mediengruppe – 82 Prozent des Deutschschweizer Markts; in der Romandie dominierten sie sogar 90 Prozent. Immer weniger Blätter, immer weniger selbständige Redaktionen – das hat Folgen für das System der direkten Demokratie mit seinen vielen Volksabstimmungen.
Blochers Vormarsch
Dazu kommt, dass die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei SVP dank der Kriegskasse des SVP-Milliardärs Christoph Blocher zunehmend an Einfluss gewinnt. So hat die Basler Zeitung Medien AG, die Blocher zu einem Drittel gehört, vor kurzem den St. Galler Familienverlag Zehnder Medien AG gekauft, dem 25 lokale Gratisblätter gehören.
Mit deren Einverleibung hat die SVP auf einen Schlag an die 800.000 neue LeserInnen gewonnen. Zusammen mit der «Basler Zeitung» und der «Weltwoche», die Blochers isolationistische und fremdenfeindliche Vision der Schweiz teilen, bekommen nun über eine Million SchweizerInnen regelmässig die SVP-Version der Realität geliefert. Immer wieder ist auch eine Übernahme der Somedia-Verlagsgruppe im Gespräch, die die in Graubünden stark vertretene Tageszeitung «Südostschweiz» herausgibt. Bisher widerstand sie, wie lange noch, ist offen. Die SVP bastelt an einem eigenen Medienimperium.
Zudem steht inzwischen die «Neue Zürcher Zeitung» NZZ, einst ein liberales Flaggschiff der schweizerischen Medienlandschaft mit einem beachtlichen Auslandteil, unter der Fuchtel einen rechten Chefredakteurs, der einen Teil der Belegschaft ausgetauscht und viele renommierte JournalistInnen vergrämt hat. Zur NZZ-Mediengruppe gehört übrigens auch das «St. Galler Tagblatt», die «Thurgauer Zeitung» und die «Luzerner Zeitung» (sowie zwei Radio- und zwei regionale TV-Kanäle; ein Joint Venture mit dem Aargauer Verlagshaus AZ-Medien ist in der Diskussion.
Alternativen im Angebot
Was ist da los jenseits der Grenze? Wohin führen diese Entwicklungen? Darüber wird am Dienstag Sina Bühler berichten, Journalistin beim St. Galler Pressebüro und Geschäftsführerin des Recherche-Netzwerks investigativ.ch. Bühler, die längere Zeit auch Co-Präsidentin der JournalistInnen in der Gewerkschaft Syndicom war, kann aber auch Positives vermelden: So veröffentlicht seit Januar 2018 das werbefreie und Crowdfund-finanzierte Reportage-Magazin «Republik» (21.000 AbonnentInnen) täglich mehrere Online-Beiträge. So ist die von einem Kollektiv herausgegebene Wochenzeitung WOZ (87.000 LeserInnen) die – bezogen auf die Bevölkerungszahl – erfolgreichste linke Zeitung Europas.
Es gibt weitere Beispiele: etwa die von Spenden getragene und von einer Stiftung zur Förderung unabhängiger Information veröffentlichte Internet-Zeitung «Info-Sperber», für die vor allem pensionierten Profis schreiben. Und nicht zuletzt die journalistische Selbsthilfeorganisation investigativ.ch. (pw)