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Britannien: Verdächtige PolizistInnen
Bald, ziemlich bald, wird alles besser
20. November 2003 | Dass die britische Polizei rassistisch ist, wurde ihr schon öfters attestiert. Viel geändert hat sich nicht. Ausser dass jetzt auch Schwarze aus den eigenen Reihen schikaniert werden.
Es gibt viel zu tun für die britische Polizei in diesen Tagen. Am Dienstag zogen UmweltschützerInnen vom Londoner Büro des Exxon-Mobil-Konzerns in Aldwych zur US-Botschaft am Grosvenor Square, um gegen George Bushs Umweltpolitik zu protestieren, Motto: «Der Planet brennt». Am Mittwoch kam es zu einer Tea-Party «Stop Bush» vor dem Buckingham-Palast und zu einem Massenprotest vor der Victoria Station. Am Donnerstag werden zur nationalen Stop-Bush-Demonstration 100.000 TeilnehmerInnen erwartet. Und für Freitag ist eine Guantánamo-Kundgebung vor der US-Botschaft angekündigt.
14.000 PolizistInnen, dreimal so viel wie ursprünglich geplant, kontrollieren die Protestierenden, observieren Flughäfen und Bahnhöfe, riegeln Strassen ab, besetzen Hausdächer – und das, um einen Mann zu schützen, den Londons Bürgermeister Ken Livingstone vor kurzem die «grösste Bedrohung für das Leben auf diesem Planeten» nannte, «dessen Politik uns alle ausrotten könnte». Gleichwohl darf dem Mann nichts passieren, darin sind sich selbst die grössten KritikerInnen des gegenwärtigen US-Imperialismus einig. Und so wird George Bush, der sich am Dienstag zu einem Stelldichein mit Premierminister Tony Blair und dem britischen Staatsoberhaupt Elizabeth Windsor nach London begeben hat, gut bewacht – auch von den PolizistInnen, die den ethnischen Minderheiten entstammen und, sollte es Probleme am Rande der Demonstrationen geben, an vorderster Front eingreifen müssen. Das ist ihr Job.
Verzicht auf eine eigene Demo
Andererseits jedoch hat Bushs Staatsbesuch dazu geführt, dass die schwarzen PolizistInnen Pläne für eine eigene Protestkundgebung am vergangenen Montag wieder fallen liessen. Ende September noch hatte die National Black Police Association (NBPA) eine Demonstration für den 17. November angekündigt. In diesem Verband sind viele PolizistInnen karibischer, afrikanischer und asiatischer Herkunft organisiert. Sie alle begreifen sich – wie viele Angehörige der ethnischen Minderheiten in Britannien – ungeachtet ihrer jeweiligen Hautfarbe als «Schwarze» (im Gegensatz zur dominierenden Kultur der «Weissen»). Dass die schwarzen PolizistInnen auf die Strasse gehen wollten, hat vor allem einen Grund: den Rassismus in der Polizei.
Wie verbreitet dieser immer noch ist, konnte die BBC im Oktober einem staunenden Publikum vorführen. Ein BBC-Reporter besuchte als Polizeiaspirant über mehrere Monate hinweg unerkannt eine der grössten Polizeischulen des Landes. Sein Film (mit einer Kleinstkamera aufgenommen) zeigte zahlreiche Jungpolizisten, die rassistische Sprüche klopften; einer zog sich sogar eine Ku-Klux-Klan-Kappe über und demonstrierte, wie man am besten einen «Paki» umbringt. Dass der Reporter wegen Irreführung seiner Vorgesetzten und wegen Sachbeschädigung (er hatte ein Loch in seine Kugelweste gebohrt, um dadurch filmen zu können) festgenommen wurde, trug nicht gerade zum Ruf der Polizei bei.
Operation Helios
Rassistisch sind jedoch nicht nur Polizeischüler. Mitte September hat ein Londoner Gericht den hochrangigen Polizeioffizier Ali Dizaei in allen Punkten freigesprochen. Dizaei, seine Eltern stammen aus dem Iran, galt lange Zeit als überaus fähiger Polizist, den manche bereits auf dem Weg in allerhöchste Ämter sahen – bis er 2001 vom Dienst suspendiert wurde. Seine Vorgesetzten warfen ihm Korruption, Diebstahl und Verwicklungen ins Drogen- und Prostituiertenmilieu vor.
Der Grosseinsatz gegen ihn unter dem Code-Namen Operation Helios (Sondereinheiten des Innenministeriums waren ihm Tag und Nacht auf der Spur) währte Jahre und kostete fünfzehn Millionen Franken. Herausgekommen ist nichts. Nach langen Verhandlungen mit der NBPA, für die Dizaei als juristischer Berater tätig gewesen war, versprach ihm Scotland Yard im Oktober 120.000 Euro Entschädigung.
Monatelang dauerte auch die Untersuchung gegen Leroy Logan, Vorsitzender der NBPA in London. Er habe Spesenabrechnungen gefälscht, lautete der Vorwurf. Ende Oktober mussten ihn seine Vorgesetzten rehabilitieren. Seit diesen Vorfällen (sie machten Schlagzeilen, weil die Beschuldigten über Renommee und entsprechende Beziehungen verfügen) vergeht kaum ein Tag, an dem sich Polizeichefs nicht entschuldigen und Besserung versprechen. Man werde das Problem unverzüglich angehen.
«Rassistische Kultur»
So hatte es freilich auch nach 1981 getönt, als Auseinandersetzungen zwischen weissen Polizisten und schwarzen GhettobewohnerInnen zu Aufständen in den Slums von Liverpool, Bristol und London führten. So hiess es auch 1993 nach dem Mord an dem Schwarzen Stephen Lawrence. Damals hatten weisse Polizisten verhindert, dass die dafür verantwortlichen weissen Täter verurteilt wurden. Ein unabhängiger Untersuchungsausschuss kam 1999 zu dem Schluss, dass in der Londoner Polizei «institutioneller Rassismus» herrsche; der Ausschuss unter Vorsitz von Sir William Macpherson schlug siebzig Massnahmen gegen den Rassismus vor. Arg viel haben diese Empfehlungen offensichtlich nicht bewirkt: Anfang November 2003 zitierte der «Observer» aus einer internen Studie, derzufolge in der Londoner Polizei weiterhin eine «rassistische Kultur» existiere.
Vor einigen Wochen sprach die NBPA sogar von einem Boykott. Sie werde den schwarzen Jugendlichen angesichts des anhaltenden Rassismus in der Truppe empfehlen, sich nicht für den Polizeidienst zu bewerben. Ohne schwarze PolizistInnen hat die Polizei aber keine Chance, von der Bevölkerung in den Inner-City-Ghettos akzeptiert zu werden. Nicht alle Polizeichefs haben das begriffen. Erst letzte Woche beklagte sich einer, dass die polizeiinternen Disziplinarausschüsse Regelverletzungen von schwarzen PolizistInnen zu milde ahnden würden. Er vergass, hinzuzufügen, dass Schwarze in der Polizei fünfmal so oft gemassregelt werden wie ihre weissen KollegInnen. (pw)