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Konstanzer «Euthanasie»-Ausstellung

Führung, Vortrag, Exkursion

1. März 2024 | Noch einen Monat lang ist im Gewölbekeller des Kulturzentrums eine Ausstellung zu sehen, die zeigt, was in Konstanz lange Zeit unbeachtet blieb: Der Nazi-Terror gegen Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen.

Cover des Buchs «Es konnte alle treffen»«Ein guter Anfang, dies zu dokumentieren», hat ein:e Besucher:in in das Gästebuch der Ausstellung geschrieben, «aber ein Armutszeugnis und fast peinlich für eine Unistadt wie Konstanz, dies in einem Eck des Gewölbekellers zu verstecken, statt dies alles laut herauszurufen, auf dass nicht dieselben Dinge sich wiederholen.»

Ein Armutszeugnis? Das sieht auch die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann so. Sie verwies in ihrer Eröffnungsrede am 27. Januar auf die lange Zeit der «Schlussstrichpolitik», deren Zweck es war, «die alten Nazis in die neue Demokratie Westdeutschlands» zu integrieren. Und sie erinnerte daran, dass die heutige Erinnerungskultur nicht von oben entstand, sondern von unten, durch lokale Initiativen.

Diese Erinnerungskultur an den Holocaust, so Assmann, habe sich inzwischen bis an die Regierungsspitze durchgesetzt. «Das gilt jedoch nicht für alle Opfer des Nationalismus. Für einige von ihnen dauert die Eiszeit des Vergessens immer noch an» – für die im Rahmen der «Euthanasie» ermordeten und zwangsterilisierten Patient:innen.

Die Gedächtnislücke füllen

Bis zur Eröffnung der Ausstellung «Es konnte alles treffen» habe es auch in Konstanz «eine Gedächtnislücke» gegeben, sagte Assmann und lenkte die Aufmerksamkeit auf eine der Tafeln mit dem Titel «Fehlendes Gedenken in der Stadt Konstanz». Anders als in Tübingen, Ulm oder Ravensburg, so kritisieren da die beiden Ausstellungsmacher:innen und Buchautor:innen Sabine Bade und Roland Didra, existiere «in Konstanz keine einzige Gedenkstätte für diese Opfergruppen».

Aber wo könnte die Stadt auf diesen Teil ihrer Geschichte hinweisen? Was wäre dazu nötig? Und warum ist es gerade jetzt wichtig, dass die «Eiszeit des Vergessens» endet? Darüber informiert am kommenden Sonntag, 3. März, Roland Didra. Der «langjährige Erinnerungsaktivist» (Assmann) führt um 15 Uhr durch die von der Initiative «Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz» konzipierte Ausstellung. Eine Anmeldung ist nicht nötig, die Teilnahme kostet nichts.

Am Donnerstag, 14. März, erinnert dann Caroline Wolf an die Entwicklung der Eugenik in Deutschland und ihre Aufarbeitung nach 1945. Die Chefärztin der Klinik für Alterspsychiatrie im ZfP Reichenau und Vorsitzende des dortigen Ethikkomitees hat selber über die Auswirkungen des eugenischen Gedankenguts geforscht.

Sie skizziert in ihrem Vortrag den gesellschaftlichen und politischen Kontext und die historischen Hintergründe der Diskussionen von Eugenik und Rassenhygiene bis heute. Die Veranstaltung der VHS Landkreis Konstanz, der Stolpersteine-Initaitive, der Stabsstelle Konstanz International und des Kulturamts beginnt um 19:30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Besuch der Gedenkstätte Grafeneck

Im Rahmen der Ausstellungseröffnung hatte Thomas Stöckle, langjähriger Leiter der Gedenkstätte von Grafeneck, über «Euthanasie»-Verbrechen in Südwestdeutschland referiert; in der Tötungsanstalt waren ab Januar 1940 über 10.000 Menschen ermordet worden. Fünf der Ausstellungstafeln im Gewölbekeller stammen aus der Wanderausstellung von Grafeneck.

Aber was sonst bietet die 1990 entstandene Gedenkstätte? Was lässt sich dort lernen – auch für die Erinnerungspolitik hier? Um das herauszufinden, organisiert die Initiative Stolpersteine für Konstanz am Sonntag, 17. März, eine Exkursion nach Grafeneck. Dort ist für 12 Uhr eine Führung durch die Gedenkstätte organisiert.

Die Anreise erfolgt mit privaten Pkws, Abfahrt ist um 9 Uhr auf dem Döbeleparkplatz. Da nicht unbegrenzt Platz ist, bittet die Initiative bis 10. März um verbindliche Anmeldung unter stolpersteine-konstanz@posteo.de. Bitte die Zahl der Personen angeben – und auch, ob eventuell ein eigener Pkw zur Verfügung steht und jemand mitgenommen werden kann.


PS: Noch mehr Informationen als die Ausstellung bietet das Buch «Es konnte alle treffen» von Sabine Bade und Roland Didra. Das «Gedenkbuch für die Konstanzer Opfer von NS-Zwangssterilisation und ‚Euthanasie‘-Verbrechen 1934-1945» ist erschienen im Hartung-Gorre Verlag Konstanz 2024. Mit einem Vorwort von Aleida Assmann.

Erhältlich in jeder Buchhandlung, vorrätig in der Schwarzen Geiß, Obermarkt 12, und bei Homburger & Hepp, Münsterplatz. 24,90 Euro. (pw)