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Buchkritik: «Sense»

Eine fulminante Jagd durch Ruhr-City

25. Oktober 2012 | Inzwischen hat fast jede Stadt, jede Region ihre Lokalkrimis. Die meisten sind schauderhaft.


Titelblatt «Sense»Es gibt sie auch weiterhin, die hervorragenden Neuerscheinungen in der von mir einst hochgelobten «Metro»-Reihe des Unionsverlags: die Romane von Hannelore Cayre (zuletzt: «Das Meisterstück», 2011), von Oscar Urra («Harlekin sticht», 2012) und natürlich von Leonardo Padura («Der Schwanz der Schlange», 2012). Aber nicht mehr alle «Metro»-Krimis haben das Niveau, das man gewohnt war. Vor allem die Bücher der Zürcher Autorinnen Petra Ivanov («Tiefe Narben», 2012) und Mitra Devi («Filmriss», 2012) fallen deutlich ab: Ihre gestanzten Dialoge, erwartbaren Handlungsabläufe und bruchlosen Hauptfiguren stehen in einem krassen Gegensatz zu dem, was der einstige Herausgeber Thomas Wörtche im Sinn hatte, als er «Metro» begründete.

Vielleicht wollte ja der Verlag vom Boom des im deutschsprachigen Raum leider grassierenden Genres des Regionalkrimis profitieren. Doch Gott sei Dank ist da noch Jörg Juretzka. Dessen Krimis spielen ebenfalls in einer Region, dem Ruhrgebiet. Doch sie sind so hintergründig-witzig geschrieben und haben eine Rasanz, dass es einem schier den Atem verschlägt. Seinen kleinen Helden, dem romantisch veranlagten, etwas heruntergekommenen Detektiv Kristof Kryszinski und dessen Kumpel Scuzzi, ist keine Droge fremd. Sie saufen, rauchen und sniffen sich quer durch die Ruhr-City und jagen in alten Autos von einer Stadt zur nächsten, um schon aus Eigeninteresse für ein bisschen Gerechtigkeit zu sorgen. Und sie legen sich mit allen an: in «Der Willy ist weg» (2010 neu veröffentlicht) mit einer Neonazirockerbande auf ihren BMW-Motorrädern, in «Alles total groovy hier» (2011) mit einer kriminellen Hippiebande, in «Sense» (2012) mit der glitzernden Halbunterwelt der Zockerkönige und Hintermänner, deren Schläger sie durch Industriebrachen hetzen.

Juretzkas Romane bieten beste Unterhaltung, aberwitzige und doch ganz reale Dialoge und absurde Szenen, die aber so ernst gemeint sind, dass man nicht so recht darüber lachen kann. Und er blickt stets von unten nach oben: Nicht die armen Schlucker sind bei ihm die lächerlichen Figuren, sondern die, die auf sie herabschauen. Das ist wahrscheinlich der Hauptgrund dafür, dass bisher keins seiner «Metro»-Bücher verfilmt wurde. Und das ist gut so. (pw)