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Griechenland: Syriza gewinnt
Die Hoffnung steht links
28. Januar 2015 | Der erste Schritt ist getan, Griechenland hat eine neue Regierung. Ab jetzt wird es mühsam: Die Linkspartei Syriza steht vor grossen Herausforderungen.
So schnell kann es gehen. Noch an Weihnachten hätte kaum jemand einen Euro darauf verwettet, dass einen Monat später – und erstmals in der griechischen Geschichte – eine entschiedene Linke die Regierungsgeschäfte übernehmen würde. Zu den vorgezogenen Neuwahlen war es gekommen, weil sich der bisherige Ministerpräsident Antonis Samaras von der Nea Dimokratia (ND) grandios verspekuliert hatte: Dessen Versuch, den früheren EU-Kommissar Stavros Dimas vorzeitig zum Präsidenten wählen zu lassen, ging – trotz seiner düsteren Warnungen vor Chaos und Untergang – gründlich daneben. Und daneben gingen auch die Drohungen, mit denen Berlin und Brüssel den Wahlkampf eröffnet hatten – sie setzten eine Dynamik in Gang, die kaum mehr zu stoppen war.
Denn erst dadurch wurde vielen klar, worum es ging: Hier die Hoffnung, dort die Furcht, einerseits die Chance eines Ausbruchs aus dem Elend, andererseits die Fortsetzung der Austeritätspolitik, die Hunderttausende in die Verzweiflung getrieben hatte. Und so stimmten nicht nur LinkssozialistInnen für die Partei Syriza, die sich mit Alexis Tsipras an der Spitze von einer breiten «Koalition der radikalen Linken» zu einer pragmatischen linken Partei gewandelt hatte, sondern auch Leute, die früher konservativ und sogar rechts gewählt hatten. Nur Syriza erlaubte ihnen den Traum von einer gerechteren, egalitäreren und menschenwürdigen Zukunft. Seither hält ein Grossteil der europäischen Linken diesen Traum auch anderswo für realisierbar.
Von Feinden umzingelt
Dabei ist nur der erste – und möglicherweise einfachste – Schritt getan. Denn die Partei, die nur knapp die Parlamentsmehrheit verfehlte, wird viele schmerzhafte Kompromisse eingehen müssen. Da ist etwa die rasch vollzogene Koalition mit den Unabhängigen Griechen (Anel), die zwar genauso entschieden das verheerende Spardiktat von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission – der sogenannten Troika – ablehnen. Die aber, Anel ist eine ND-Abspaltung, in der Migrationspolitik, in der Aussenpolitik oder bei gesellschaftlichen Themen wie etwa gleichgeschlechtlicher Partnerschaft konträre Positionen vertreten. Da ist auch das nur schwer umzusetzende Vorhaben, EZB, IWF und die anderen EU-Regierungen für eine europäische Schuldenkonferenz zu gewinnen, die den Forderungen von Syriza entgegenkommt und Griechenland einen grossen Teil der Staatsschulden erlassen soll. Allein wird das die neue Regierung nicht schaffen.
Und da ist auch die Herausforderung, die spätestens dann auftaucht, wenn sich herausstellt, dass sich Träume doch nicht so schnell erfüllen lassen, wenn sich WählerInnen frustriert abwenden.
Zumindest dafür aber scheint Syriza gut gewappnet. Denn anders als die anderen Parteien setzt sie konsequent auf das Bündnis mit den vielen sozialen Initiativen, die ganz entscheidend zum Wahlerfolg beigetragen haben. Dieser basisdemokratische Ansatz, die enge Vernetzung mit autonomen Selbsthilfegruppierungen, das Mitspracherecht auch für Nichtparteimitglieder, die vielen öffentlichen Versammlungen und die allumfassende Kommunikationsbereitschaft – all das könnte dazu beitragen, dass Griechenland soagr die politische Spaltung überwindet, die das Land seit dem Bürgerkrieg (1944 bis 1949) und der Militärdiktatur (1967 bis 1974) prägt.
Besonders radikal ist die neue Regierung nicht. Sie plant nicht den Umsturz der bestehenden Machtverhältnisse, sie will auch nicht von heute auf morgen eine sozialistische Gesellschaft errichten – sie konzentriert sich momentan ganz auf die Linderung der Not, die das morbide Klientelsystem der alten Elite, die Finanzmarktkrise und die Troika den Menschen gebracht hat. Und sie wird zumindest ihr bescheidenes Sofortprogramm (Wohngeld für Obdachlose, kostenlose Strom- und Gesundheitsversorgung für die Allerbedürftigsten, Nahrungsmittelhilfe, Anhebung des Mindestlohns) umsetzen können.
Syrizas Erfolg lässt sich nicht einfach übertragen – zu unterschiedlich sind die Verhältnisse in den anderen Krisenstaaten, zu andersartig die diversen linken Traditionen und Kräfte. Aber er lässt die europäische Linke aufatmen und verleiht ihr Schub: Endlich hat sich in einem Land die Bevölkerung der angeblichen Alternativlosigkeit zur Austeritätspolitik widersetzt.
Um einen gesellschaftlichen Wandel in Gang zu setzen, müsste sie aber Syriza in einem ganz zentralen Punkt nacheifern, den die griechische Linke gelernt hat – stärker auf das Prinzip der Selbstorganisation setzen, von unten kommen und neue Formen der demokratischen Partizipation anbieten. (pw)